Unsere Stellungnahme zum Energiekonzept der Stadt Kiel
Stellungnahme der BürgerInneninitiative (BI) „Umweltfreundliche Energieversorgung für die Region Kiel“
Im von der Stadt in Auftrag gegebenen Gutachten „Klimaverträgliches Energieerzeugungs- und Versorgungskonzept für Kiel“ werden Empfehlungen auf drei Ebenen zusammengefasst:
- Die erste Komponente umfasst Maßnahmenvorschläge zur Energieeinsparung und damit zur Verringerung des insgesamt benötigten Energiebedarfes.
- Die zweite Komponente umfasst Maßnahmenvorschläge zur Deckung des erforderlichen Energiebedarfes durch regional verfügbare regenerative Energieträger.
- Die dritte Komponente umfasst Maßnahmenvorschläge zum besonders effizienten Einsatz der Energieträger.“
Die BI stimmt mit den Vorschlägen zur Energieeinsparung grundsätzlich überein. Darüber hinaus ist es erklärtes Ziel der BI, eine umweltverträgliche Energieversorgung für Kiel zu erreichen, welche bis 2040 zu 100% aus regenerativen Energien gedeckt wird, sowohl bei der Strom- als auch bei der Wärmeversorgung. Ein effizienter Einsatz der Energieträger ist nach Ansicht der BI mit einem GuD geringerer Leistung in Verbindung mit einer dezentralen Versorgungsstrategie gegeben.
Stellungnahme im Einzelnen
1. Energieeinsparung
- Die „Ambitionierte Energieeinsparstrategie“ für Wärme und Strom und die aufgeführten Sparpotentiale bis zum Jahr 2020 entsprechen im Wesentlichen den Vorstellungen der BI.
- Die Stadt sollte als erstes Maßnahmen verfolgen, in den eigenen Gebäuden den Strombedarf soweit als möglich zu senken. Des Weiteren ist der Wärmebedarf durch die Umsetzung der 2%-Sanierungsrate p.a., insbesondere bei öffentlichen Gebäuden, zu forcieren. Darüber hinaus ist der Ausbau der Solarthermie an der Wärmeversorgung zu erhöhen.
- Da der größte Anteil am Endenergiebedarf und damit auch am CO2-Ausstoß in Kiel auf die privaten Haushalte und die gewerblichen Kleinverbraucher entfällt, schlägt die BI eine aktivere Informationspolitik der Bürger und die Einrichtung einer öffentlichen Beratungsstelle „Energiesparen/Umweltfreundliches Sanieren“ für diese Zielgruppen vor. Wohnungsgenossenschaften und Verbände, Industrie- und Handelskammer sollten stärker in die Energieeinsparstrategie einbezogen und für die Sanierung der Gebäude sowie der Umstellung der Energieversorgung auf effiziente Technik (KWK) und regenerative Energieträger gewonnen werden. Gesamtkonzepte für die Sanierung und Energieversorgung von Wohngebäuden sollten stärker herausgestellt und aktiver beworben werden.
2. Erneuerbare Energien
- Im Gutachten wird lediglich die Stromeinspeisung aus EEG-Anlagen im Vertriebsgebiet der Kieler Stadtwerke betrachtet. Die BI fordert statt des Vertriebs von konventionellem Strom auch den Einkauf von Windkraft-, Wasserkraft- und Solarstrom (unter Verzicht auf RECS-Zertifikate), um das langfristige Ziel „100% regenerativer Strom“ zu erreichen.
- Die Gutachter argumentieren bzgl. Technikentwicklung sehr konservativ. Die BI hält es für zwingend erforderlich, dass innovative, umweltschonende Projekte akquiriert und umgesetzt werden, wie z. B. den Bau von saisonalen Wärmespeichern in Kombination mit Solarthermie, Pump- oder Druckluftspeicherkraftwerke ebenso wie die Erkundung und Erprobung von Speichermöglichkeiten für Windstrom. So ist die Errichtung eines Pumpspeicherkraftwerks im Bereich Schwedeneck zu prüfen. Initiatoren sollten mögliche Fördermittel einwerben (bspw. von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt).
- Der Zubau an EEG-Anlagen wird ebenfalls von den Gutachtern sehr zurückhaltend berechnet. Die Chance für eine marktunabhängigere Stromgewinnung aus regenerativen Energieträgern wird im vorliegenden Gutachten nicht erkennbar berücksichtigt. Es ist zu erwarteten, dass die Preise für fossile Energieträger zukünftig stark ansteigen, während die Investitionskosten für regenerative Energieerzeugungsanlagen sinken und Solar- und Windenergie kostenfrei zur Verfügung stehen. Um den weiteren Ausbau der EEG-Anlagen zu fördern, sollten neue Finanzierungsmöglichkeiten geprüft und entwickelt werden, z.B. Bürgerfonds und Energiegenossenschaften der Kieler Bürger und Firmen.
- Die BI lehnt den Bau eines 20 MWth Holzhackschnitzel-HKW ab, da die Energie nicht ökologisch gewonnen werden kann. Die Gründe dafür liegen im hohen Anteil Import-Biomasse sowie den negativen Erfahrungen bei der Substratbeschaffung der Stadtwerke Flensburg.
- Die BI begrüßt den Ausbau der Biogas-/Biomethanerzeugung. Bei Einsatz landwirtschaftlich erzeugter Biomasse sind allerdings klare Kriterien der Nachhaltigkeit anzulegen, die BI nimmt hier u.a. Forderungen des BUND auf:
1. Unterstützung vielfältiger Fruchtfolgen (Beschränkung Maisanbau!)
2. Verringerung des Düngereinsatzes und strikte Einhaltung der Nitrat-, Pestizid-, Grundwasser- und Wasserrahmenrichtlinien
3. Erhalt bzw. Neuschaffung von Landschaftselementen (z.B. Saumstrukturen, Blühstreifen, Feldgehölze, Extensivgrünland)
Organische Reststoffe aus Haushalt und Industrie sowie Abwässer müssen verstärkt zur Energieerzeugung herangezogen und die politischen Rahmenbedingungen so verändert werden, dass deren Nutzung gefördert wird.
3. GuD und Fernwärmenetz
- Das geplante GuD ist deutlich auf eine über den regionalen Bedarf hinaus gehende Stromproduktion ausgerichtet. Die BI verfolgt einen anderen Ansatz: Das GuD wird als Übergangstechnologie zur Produktion des Kieler Strom- und Fernwärmebedarfs genutzt. Um flexibel auf zukünftige Entwicklungen reagieren zu können (Verknappung und Preissteigerung fossiler Brennstoffe, sinkender Energiebedarf, Einsatz neuer technischer Verfahren), hält die BI eine „kleinere Variante“ des GuD (z.B. 200 MWe) in Kombination mit dezentralen KWK-Anlagen und der Möglichkeit von Importen von regenerativ erzeugtem Strom für zielführend.
- Die BI fordert weiterhin das Fernwärmenetz nicht weiter auszubauen und stattdessen die Versorgung von Stadtteilen, Neu- und Altbau-Siedlungen, Straßenzügen etc. über Nahwärme bzw. Mikrobiogasnetze und Biogas-BHKW modular und dezentral zu organisieren. An das bestehende Fernwärmenetz sollten weitere Verbraucher angeschlossen und zusätzliche Wärmesenken im Rücklaufnetz geprüft werden. Um die Stromproduktion von der Wärmeerzeugung (z.B. bei hohem Angebot von Windstrom) zu entkoppeln sollten Wärmepufferspeicher im Fernwärmenetz eingerichtet werden (vgl. Empfehlungen zur Optimierung der Energieversorgungsstruktur im Gutachten).
Zusammenfassende Beurteilung der BI
- Die BI hält an ihrem Ziel einer vollständig regenerativen Energieversorgung bis 2040 fest. Bis fossile Energieträger vollständig ersetzt sind, ergänzen Importe aus Wind- und Wasserkraftstrom die Stromerzeugung in einem GuD und in BHKW. Die Herausforderung besteht darin, den Wärmebedarf der Stadt regenerativ zu decken. Die politischen Rahmenbedingungen müssen hier so verändert werden, dass der Wärmebedarf tatsächlich sinkt (Sanierung und Effizienzsteigerung) sowie alternative Energieträger eingesetzt werden (Wärmespeicher, solarthermische Anlagen, Wärmepumpen und KWK-Anlagen). Unser Ziel erfordert, dass auf städtischer und auf Landesebene Anreize dafür geschaffen werden.
- Die BI setzt sich für ein kleineres GuD und eine stärker dezentrale Energieversorgung mit folgenden Vorteilen ein:
1. hohe Flexibilität bei der Energieerzeugung bezogen auf mittel- und langfristige Bedarfsentwicklungen, schnellere Ablösung durch neue Technologien möglich
2. Leistung kann dem Bedarf (Lastgang) zügig angepasst werden
3. schnellere Planung, Umsetzung und zügige Ablösung des Kohlekraftwerkes möglich (Ziel 2015)
4. stärkere Chancen für bürgerfinanzierte Beteiligungsprojekte
5. unmittelbare Nähe zur Energienutzung senkt Übertragungsverluste - Der Strombedarf wird zukünftig sinken, das Stromangebot aus erneuerbaren Energien steigen, die Preise für fossile Energien und CO2-Emissionszertifikate ebenso. Es ist daher wirtschaftlich risikoreich, langfristig mit hohen Gewinnen aus dem Stromverkauf des GuD zu rechnen.
- Eine dezentrale, auf regenerativ in der Region erzeugter Energie basierende Versorgung ist nicht nur marktunabhängiger und damit preisstabiler, sondern hält Gewinne in der Region und schafft Arbeit – im Gegensatz zu einer auf Großanlagen basierender Technik. Ein zukunftsfähiges Energiekonzept reicht über die Laufzeit eines GuD hinaus!
BI, 12.01.2011